Außergewöhnliches Abschlusskonzert der 29. Löwensteiner Musikwoche: Auszüge aus der Operette „Mädel aus Kokeltal“
Im vollbesetzten Maybach-Saal der „Harmonie“ Heilbronn fand mit großem Erfolg am 26. April das Abschlusskonzert der Musikwoche Löwenstein statt. Höhepunkt war die konzertante Aufführung von Teilen der Operette „Mädel aus Kokeltal“ von Richard Karl Oschanitzky, die seit ihrer Entstehungszeit Ende der 30er Jahre und grandiosen Erfolgen auch in Deutschland nicht mehr aufgeführt worden war.
Über 120 Teilnehmer aus drei Generationen präsentierten das Programm des Abends, das aber noch viel mehr zu bieten hatte: Gleich zum Auftakt konnte der zahlreich besetzte Jugendchor der Musikwoche das Publikum für sich erobern und entwickelte sich im Laufe eines differenzierten, geschickt ausgewählten Repertoires zu einer stimmlich-interpretativ beeindruckenden Leistung. Zu Gehör kamen „Halleluja“ von Jürgen Thies, „Sing Jubilate Deo“ von Jerry Estes sowie Arrangements der Lieder „Viele verachten die edele Musik“, „Die Gedanken sind frei“ und „Hine mah tow“. Unter der temperamentvollen, souverän gestalteten Leitung von Gertraud Winter hinterließ der Jugendchor einen musikalisch beachtlich homogenen Eindruck, der mit viel Applaus honoriert wurde.
In einer intonationsmäßig mehr als bravourösen Leistung sang sodann der Gesamtchor der Musikwoche das „Alleluja pascal“ des Klausenburger Komponisten Ede Terényi und das „Abendlied“ von Joseph Gabriel Rheinberger. Stimmlich besonders anspruchsvoll war durch ihre harmonisch komplexe Struktur die Motette für Chor und Orgel „Ich will den Herren loben allezeit“ von Waldemar von Baußnern, hier in einer Fassung für Klavier zu vier Händen (mit Christian Turck und Liane Christian). Die ernst-pathetischen Werke, unter anderem die einst viel gespielten Programmsinfonien Baußnerns, finden heute leider kaum noch Beachtung. Der deutsche Komponist verbrachte seine Jugend in Siebenbürgen und wurde bei einem großen siebenbürgischen Baußnern-Fest in den 20er Jahren gefeiert.
Vor der Pause kam noch das Konzert für Trompete und Orchester in Es-Dur von Johann Nepomuk Hummel zu Gehör. Solist war der junge Trompeter Oliver Christian – der 2009 beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ den ersten Preis gewonnen hatte und derzeit in Hamburg studiert. In den beiden Ecksätzen bestach Oliver Christian mit seiner stupenden instrumental-technischen Virtuosität, um im mittleren zweiten Satz seine musikalische Sensibilität durch ausdrucksintensive warme Tongebung unter Beweis zu stellen. Begeisterter Applaus belohnte diese außergewöhnliche Leistung, zu der sicher auch die gekonnte Begleitung des Orchesters unter der Leitung von Erzsébet Windhager-Geréd beitrug – und in dem Vater Harald Christian als Konzertmeister mitspielte.
Den musikalisch-schöpferischen Höhepunkt dieses Abschlusskonzertes bildete ohne Frage die eingangs erwähnte Aufführung der Operette „Mädel aus dem Kokeltal“ von Richard Karl Oschanitzky (1901-1975). Als sei sie eigens für die Musikwoche komponiert, umfasste sie musikalisch-künstlerisch die gesamte Teilnehmerschaft und verband diese zu einem von Frohsinn und Heiterkeit beschwingten einmaligen emotional geprägten Gesamterlebnis. Nicht von ungefähr erlebte die Operette – übrigens als einzige ihrer Gattung – nicht nur im Rumänien der Zwischenkriegszeit einen durchschlagenden Erfolg und wurde ein Jahr nach der Erstaufführung in Hermannstadt bei ihrer ersten großen Auslandstournee 1939 in Wien, Leipzig, Stuttgart, Saarbrücken, Mannheim und auf vielen weiteren deutschen Bühnen euphorisch gefeiert. Mit Sicherheit hat Richard Karl Oschanitzky mit seiner Operette nicht nur dem siebenbürgischen Kokeltal ein bleibendes lebendiges Denkmal gesetzt.
Schon in der Ouvertüre wurden dem Zuhörer einzelne Themen der Operette in farbiger Instrumentierung vermittelt, wonach sich in den folgenden Sequenzen – anhand erzählter Prosatexte und durch das Sextett „Flink ihr Mädchen“ - sich eine heiter-animierende Grundstimmung verbreitete. Diese verdichtete sich zunehmend durch das „Auftrittslied Stepaneks: Ein Ereignis steht bevor“, gefolgt von dem „Auftrittslied Peters“. Mit dem solistischen „Auftritt Theas“ (dem deutschen Ferienkind) erklingt im Hintergrund das vom Chor intonierte bekannte Volkslied von Hermann Kirchner „Af deser ierd do äs en Land“. Es ist das einzige original siebenbürgische Volkslied, das Oschanitzky verwendet. Die Chöre hat er „ebenso wie unser Leben sich auf die Kirche stützt“ im Geiste der Kirchenchoräle komponiert.
Nach dem stimmlich wie schauspielerisch reizvoll gestalteten Duett von Susi und Peter „Mädel aus dem Kokeltal“, dem anschließenden Festmarsch, dem orchestralen Zwischenspiel und dem Lied Susis, fand das Werk im Finale und dem Schlusschor der Operette mit konzertanten Sequenzen seinen Höhepunkt. Das Ensemble wuchs künstlerisch-interpretativ wie auch szenisch über sich hinaus und regte das begeisterte Publikum zu langanhaltendem Beifall an.
Neben dieser beeindruckenden Gesamtleistung von Chor und Orchester sind vor allem die bereits professionellen Auftritte der Gesangssolisten als tragende Säulen des Operettengeschehens hervorzuheben, beginnend mit Renate Dasch (Alt) als Erzählerin und Pauline, Johanna Boehme (Sopran) als Susi, Bettina Wallbrecht (Sopran) als Thea sowie der stimmgewaltigen Männerbesetzung durch Hans Straub (Tenor) als Peter und Peter Alexander Herwig (Bariton) als Stepanek. Sie brillierten in ihren stimmlich-szenisch famosen Auftritten. Nicht zuletzt soll die überragende Leistung der Dirigentin Erzsébet Windhager-Geréd, Organistin und Kantorin der Evangelischen Stadtkirche Wien, erwähnt werden, die durch ihr stark ausgeprägtes Temperament und ihren musikalisch-schöpferischen Gestaltungwillen mit klarer ausdrucksintensiver Gestik dem gesamten Geschehen entscheidende Impulse verlieh und entscheidend zu dem außergewöhnlichen Erfolg des Abends – nach einer Rekord- Probezeit von einer knappen Woche – beitrug.
Dass es überhaupt zur diesjährigen Inszenierung der Operette – wenn auch nur in konzertanten Auszügen kam –, ist nicht zuletzt dem jüngeren Sohn des Komponisten, dem Temeswarer Dirigenten Peter Oschanitzky, zu verdanken, der den verlorenen Teil der Partitur anhand des Klavierauszuges vervollständigte und das Notenmaterial freundlicherweise der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im östlichen Europa (GDMSE) für deren Einstudierung zur Verfügung stellte. Die endgültige und zeitaufwändige Einrichtung des Materials besorgte Dr. Franz Metz, Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa, die Trägerin der Musikwoche ist. Peter Oschanitzky war es wiederum, der sich nach der Aufführung im Saal persönlich bei allen Beteiligten bedankte, die dieses Werk nach mehr als 75 Jahren erneut zum Klingen brachten.
Peter Szaunig
Zusammenspiel aller Generationen
Inmitten der idyllischen Löwensteiner Weinberge fand vom 21. bis 27. April die 29. Musikwoche der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa statt. Neben dem umjubelten Abschlusskonzert in der „Harmonie“ Heilbronn am 26. April (siehe Bericht von Peter Szaunig) ist nicht zuletzt das beispielhafte Zusammenwirken von mehr als 100 begeisterten Laienmusikerinnen und Laienmusikern aller Generationen hervorzuheben, die sich unter der Anleitung von zwölf engagierten Dozenten zu einem chorsinfonischen Ensemble ebenso wie zur Kammermusik zusammenfanden.
Gerade die zahlreichen jungen Teilnehmer – sie stellen den Löwenanteil und bildeten einen klangvollen Jugendchor – wurden bei der Musikwoche sensibilisiert für die Kultur der deutschen Minderheiten in Südosteuropa. Auch Musikerinnen und Musiker aus dem heutigen Rumänien unterstützten in der Bläsersektion die Veranstaltung. Gerade für Kinder und Jugendliche bot diese Begegnung mit jungen Menschen aus Rumänien Gelegenheit zu einem wertvollen Kulturaustausch. Im Verlauf der Woche fanden zahlreiche interne Vorspielabende statt, bei denen konzertreife Auftritte zu erleben waren, aber auch jüngste Nachwuchsmusiker sich teilweise zum ersten Mal einem größeren Publikum präsentieren konnten. Mit dem Wolfgang-Meschendörfer-Förderpreis in Höhe von 300 Euro wurde für langjährige Verdienste um die Musikwoche und herausragende musikalische Leistungen der Student Philipp Hasper (Gesang) ausgezeichnet. Im Rahmen der Musikwoche fand auch die Mitgliederversammlung Mitgliederversammlung der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa statt. Zum Ehrenmitglied wurde dabei der Banater Dirigent Peter Oschanitzky ernannt, der mit einem Vortrag Gast der Musikwoche war und tief bewegt auch das Abschlusskonzert mit der Aufführung der Operette „Mädel aus dem Kokeltal“ seines Vaters Richard Karl Oschanitzky miterlebte.
Die künstlerische Gesamtleitung übernahm zum zweiten Mal Erzsébet Windhager-Geréd, Organistin und Kantorin der Lutherischen Stadtkirche Wien sowie Assistentin an der Universität Klausenburg und Leiterin des Internationalen Festivals Bachwoche an der Stadtkirche Wien. Weitere Dozenten der Musikwoche waren Christian Turck (Orchesterleitung, Klavierbegleitung), Harald Christian (hohe Streicher), Christa Gross-Depner (Viola, Streicher-Kammermusik), Jörg Meschendörfer (Cello, Salonorchester), Bärbel Tirler (Holzbläser), Oliver Christian (Blechbläser), Peter Alexander Herwig (Gesang), Liane Christian (Klavier-Kammermusik und Klavierbegleitung) und Gertraud Winter (Jugendchor, Früherziehung). Die Gesamtleitung hatten Johannes Killyen und Bettina Wallbrecht.
Nicht möglich gewesen wäre die Veranstaltung der Musikwoche ohne die finanzielle Unterstützung des Innenministeriums Baden-Württemberg, der HD Hermannstadt, der HG der Kronstädter in Deutschland, der Nachbarschaft Zeiden, der Kreisgruppe Heilbronn sowie der Ortsgruppe Lahr der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen.
Johannes Killyen